MAINZ // Die Welt des Gins zeichnet sich durch Vielfalt aus. Wer gedacht hat, dass der Hype um die Spirituose vorüber ist, der hat sich getäuscht. „Tinte Gin“ zeigt, dass die Geschichte dieser Destillate noch lange nicht zu Ende erzählt beziehungsweise geschrieben ist.
Hier ist der Name Programm. In sattem tiefblau steht die Tinte aus Mainz im Glas. Doch wer ihn kostet, entdeckt sein Geheimnis. Ein Spritzer Tonic dazu, und nichts scheint wie es war. Das liegt an einem der zehn Botanicals. Der Begriff steht für alle Pflanzenstoffe oder pflanzlichen Extrakte, die den Geschmack des Gins beeinflussen. Doch davon später mehr.
Florian Polakovski, einer der drei Köpfe des Mainzer Labels „Edelranz“ und kreativer Kopf hinter dem blauen Rebellen, hat drei Jahre getüftelt, bis alles perfekt zueinander passte. Dafür warf Polakovski seine Leidenschaft und Hartnäckigkeit sowie zehn Jahre Erfahrung als Barmann in die Waagschale, um ein Produkt zu erschaffen, dass Gegensätze vereint, Menschen verbindet und etwas völlig Neues erschafft. Das Extrahieren und Paaren der Aromen aus Blüten, Nüssen oder Beeren fasziniert ihn. „Das ist mein Spezialgebiet“, sagt der 37-Jährige. Nicht ohne Grund tauften ihn seine Freunde „Jean-Baptiste“ nach der Hauptfigur im Roman „Das Parfum“ von Patrick Süskind. Florian Polakovski ist auch ein Jäger und Sammler. Auf seinen Reisen rund um den Globus ging er auf Schatzsuche, ließ sich auf Aromen-Experimente ein und sammelte Botanicals.
Zuhause experimentierte, mixte und probierte er aus. Aus der Sammlung seiner Kostbarkeiten wählte er zehn Botanicals, die er im Tinte Gin vereinte. „Tradition ist wichtig. Sie ist die Basis, aus der wir wachsen“, erklärt Polakovski. „Deshalb halten wir an der Wacholderbeere als Hauptakteur unseres Gins fest.“ Dazu die kubische Flasche, die an ein Tintenfässchen erinnert. „Die Menschen sollen sich beim Genuss Zeit nehmen. So wie ein Brief, der mit Tinte geschrieben wird.“ Das Etikett in geschwungenen Buchstaben unterstreicht diesen Anspruch.
Edelranz ist ein Startup aus Mainz. Gemeinsam mit Kadi Kamara (Marketing) und Alexander Petruschin (Lieferkette / Logistik) tritt Florian Polakovski (Produktentwicklung und Finanzen) an, um neue Spirituosen in außergewöhnlicher Qualität und mit einer nachhaltigen Produktion zu entwickeln. Nachhaltigkeit von Anfang an ist das Ziel der Mainzer. „Wir haben aus unserer kompletten Wertschöpfungskette weitestgehend das Plastik verbannt“, sagt Polakovski. Ein großer Schritt, dem weitere folgen sollen. Beim aktuellen Protagonisten etwa, dem Tinte Gin, verschließt mittlerweile ein Glaskorken die Flasche.
Der Wunsch nach Nachhaltigkeit setzt sich bei den Mainzern auch im Vertrieb fort. Im Stadtgebiet etwa kooperieren sie mit einem lokalen Anbieter (Radlager). „Lokal werden unsere Tintenfässchen mit Fahrrädern und Elektrofahrzeugen zum Kunden gebracht. Überregional sind wir natürlich ebenfalls mit unseren Partnern oder unserem Online-Shop präsent“, verrät Florian Polakovski. „Beim Versand verzichten wir dabei komplett auf Plastik.“ Luft nach oben gibt es immer. „Wir arbeiten kontinuierlich an der Klimafreundlichkeit“, erklärt der Tinte-Gin-Chef zuversichtlich. In zwei Städten funktioniert das bereits bis zum Konsumenten. In Mainz und in Aschaffenburg arbeiten die Tinte-Produzenten mit lokalen Händlern (Destillerien) zusammen. Die nehmen leere Tinte-Gin-Flaschen von den Kunden zurück und füllen sie auf Wunsch zum Vorzugspreis wieder auf. Abfüllstationen wie diese kann sich der Edelranz-Chef auch an anderen Standorten vorstellen. „Unser Ziel ist es, etwas Besonderes und Neues zu schaffen“, sagt er. Das notwendige Know-how schöpfen er und seine Freunde aus ihrem anderen Leben, als Treasury-Manager (deutsch: Finanzmanager), als Marketingexperten und als Technischer-Account-Manager. Bis heute arbeiten die Partner für ihr Spirituosen-Projekt ehrenamtlich.
Beim Tinte Gin mit seinen 47 Volumenprozent Alkohol handelt es sich um „einen klassischen, weichen und vollaromatischen Dry Gin. Das Abenteuer beginnt in der Nase. Wer ihn kostet, sollte sich nicht um das Geruchserlebnis bringen. Dort entfalten sich die Aromen, die der Erfinder der Tinte als „dezent florale Noten“ beschreibt, die „von Wacholder- und frischen Zitrusnoten abgelöst werden“.
Auch im Geschmacksprofil schaffen die Mainzer Fakten, die für sich sprechen. Im edlen Beileger zum Destillat heißt es: Ein „sehr weicher Gin mit vollem Aroma und einer angenehmen und geschmeidig-öligen Textur“. Das Geschmacksverlauf ist komplex. Das optische Highlight des Rebells steht noch aus. Mit Tonic aufgefüllt wechselt das tiefe Blau in ein kräftiges Magenta, je nach Füllmenge wird es ein wenig heller im Glas. Eine asiatische Pflanze steckt hinter dem Effekt, erzählt der Aromen-Jäger. Auf die Frage, was da geschieht, holt Polakovski lächelnd etwas aus: „Es ist vergleichbar mit dem Lackmustest im Chemieunterricht. Der blaue Farbstoff aus der Pflanze verändert seine Farbe je nachdem, ob er mit sauren, zum Beispiel Tonic, oder basischen Substanzen, die in der Küche verwendet werden, zusammengebracht wird.“ Ein Grund, warum man ihn in ärmeren Ländern zum Bestimmen des ph-Werts des Trinkwassers nutzt. Je größer der ausfällt, desto basischer ist er, und umso mehr verändert sich die Farbe vom Blau in ein Türkis, weiter ins Grün bis zu einem Gelb. Im Umkehrschluss heißt das, je niedriger – also saurer – der Wert ist desto violetter wird die Flüssigkeit.
Das Tonic bringt den Tinte Gin also dazu, je nach zugegebener Menge, von Magenta bis zu einem kräftigen Rosa zu wechseln. Doch nicht nur das. Es ist, neben dem richtigen Eis, in Bezug auf Menge und Beschaffenheit, „dem Gold des Barkeepers“, so Polakovski, für Spirituosen-Aficionados eines der Geheimnisse für den perfekten Genuss. Der Chef empfiehlt den Drink mit Schweppes-Dry-Tonic aufzufüllen, das am besten „ganz ohne Garnitur, vielleicht mit einer gedörrten Orangenscheibe oder einer Orangenzeste (Hauchdünne Streifen aus der äußersten Schale einer Orange, Anmerk. d. Red.), genossen werden sollte. „Ohne Stroh- oder Glashalm“, betont er. Die Nase sollte möglichst nah am Geschehen sein, so dass man die Aromen ungehindert aufnehmen kann. Jeder wie er mag. „Genuss ist individuell“, weiß der Ginexperte. Als Genussmensch ist Florian Polakovski gelegentlich auch beim Thema Tabak unterwegs. „Ich bin ein großer Fan von Pairing.“ Pfeifentabak und vor allem Zigarren aus der Karibik gehören für Polakovski zu den Ginbegleitern. Seine Longfiller findet er vorzugsweise im Fachhandel. Zu seinen Lieblingszigarren zählt er die „Aging Room Quattro F 55 Concerto“. „Ich rauche nach Lust und Laune und wenn es passt.“
In der Spirituosenwelt wollen die Edelranz-Akteure noch viel bewegen. „Unser Ziel ist es, etwas Besonderes und Neues zu schaffen – ganz nach dem Motto, ,Creating Great Spirits‘.“ Das Abenteuer hat erst begonnen.
Quelle: DTZ; Kerstin Kopp
11.11.2021
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