BERLIN // Der Entwurf für das Tabaksteuermodernisierungsgesetz (TabStMoG) wird erhebliche Konsequenzen haben. Jedoch nicht für die Tabakindustrie. Das von Minister Olaf Scholz geführte Bundesministerium der Finanzen (BMF) plant eine minimale Anhebung der Steuern auf Tabakprodukte. Die wesentlich weniger schädliche Alternative, die E-Zigarette, soll hingegen massiv besteuert werden. Sollte das Gesetz so wie vorgeschlagen verabschiedet werden, plant das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) eine Verfassungsbeschwerde.
Das BfTG bewertet den Entwurf zur E-Zigarettensteuer als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. In einer Stellungnahme berechnet das BfTG, dass eine geplante Besteuerung von 0,02 Euro/mg Nikotin und ab 2024 von 0,04 Euro/mg Nikotin Liquids bis zu 160 Prozent teurer machen würden. Der Preisnachteil von E-Zigaretten gegenüber Rauchtabak würde erheblich verstärkt, denn nach der geplanten Steuereinführung wäre Tabak-Feinschnitt um bis zu 85 Prozent – derzeit bis zu 60 Prozent – günstiger als E-Zigarettenliquids.
Die Höhe des Steuertarifs müsste, um mit Blick auf die angestrebte Lenkungswirkung nicht gegen das Grundgesetz zu verstoßen, so gewählt sein, dass sie keine Lenkungswirkung zu Lasten von Liquids und zu Gunsten von Rauchtabak erzeugt. Diesen Grundsatz beachtet der vorliegende Gesetzesentwurf jedoch nicht. Er verstärkt den Preisnachteil von E-Zigaretten gegenüber Rauchtabak erheblich und ist daher verfassungswidrig.
Der Referentenentwurf begründet eine Besteuerung von Liquids unter anderem mit einem bestehenden Gefährdungspotenzial durch E-Zigaretten. Dustin Dahlmann, Vorsitzender des BfTG: „E-Zigaretten sind Alternativen zum Tabakkonsum für erwachsene Raucher. Daher muss das Schadenspotenzial von E-Zigaretten in Relation zur Schädlichkeit von Tabakzigaretten bewertet werden. Es wäre absurd, wenn die deutlich weniger schädliche Alternative teurer wäre als die Tabakzigarette.”
Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) stellt klar, dass der Umstieg von der Tabakzigarette auf die E-Zigarette das Erkrankungsrisiko für Raucher senke. Das DKFZ, auf das sich der Gesetzesentwurf direkt bezieht, fordert eine Regulierung, die „Raucher nicht davon abhält, vollständig von Tabak- auf E-Zigaretten umzusteigen“.
Eine zu hohe Steuerbelastung und in Folge deutlich steigende Liquidpreise würden zu mehr Rauchtabakkonsum führen. Dies zeigten die Erfahrungen in anderen europäischen Mitgliedsstaaten, die eine Steuer auf Liquid eingeführt und teilweise bereits wieder deutlich reduziert haben. Dem E-Zigaretten-Fachhandel würden die Umsätze wegbrechen, weil die E-Zigarette stark an Attraktivität verlieren würde, denn für viele Dampfer ist der finanzielle Aspekt entscheidend. Diese erdrosselnde Wirkung wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Dahlmann: „Wir fordern, diesen Plan fallen zu lassen und stattdessen die E-Zigarette zu fördern. Für eine Senkung der noch immer hohen Raucherquote in Deutschland zu nutzen.”
Auch der Verband des E-Zigarettenhandels (VdeH) wettert gegen die Steuerpläne. Die Regierungskoalition plane, maßgeblich getrieben durch Hardliner in der SPD, die Einführung einer E-Zigarettensteuer unter Verkennung wissenschaftlicher Fakten. Die realitätsfremden Pläne führten in ein finanz- und gesundheitspolitisches Fiasko: Diese Erfahrung hätten auch andere EU Länder bereits gemacht, die ihre Besteuerung revidieren mussten.
Die neue Steuer bedeute eine Verdreifachung des Verkaufspreises. „Diese Steuerpläne machen fassungslos und man vermutet zunächst einen Rechenfehler. Eine derartige Verteuerung kann nur mit der Absicht erfolgen, den Konsum eines Produktes vollständig abzuwürgen“, kommentiert Michal Dobrajc, geschäftsführender Vorsitzender des VdeH, das Gesetzesvorhaben. Der VdeH versperre sich nicht grundsätzlich einer Besteuerung von E-Zigaretten; sie müsse sich aber am zum Tabakrauch relativen Risikopotenzial orientieren. Entsprechend der wissenschaftlichen Erkenntnisse sollte sie daher nicht mehr als fünf Prozent der Steuerlast bei Tabak betragen. Geplant ist jedoch eine Steuerlast von 75 Prozent der Tabaksteuer.
Es sei in der Wissenschaft mittlerweile herrschende Meinung, dass E-Zigaretten – wenn auch nicht harmlos – im Vergleich zu Tabakrauch erheblich weniger schädlich sind. Die geplante Nikotinsteuer würde aber faktisch zu einer Luxussteuer und resultiere darin, dass Tabakwaren günstiger werden als E-Liquids.
Gleichwohl rechne das Finanzministerium mit Steuereinnahmen von hunderten Millionen Euro pro Jahr, bei einer Steuerlast, die dem Fünffachen des EU-Durchschnitts entspreche. „Die Erwartungen der Einnahmen entbehren jeder Realität, zumal durch die massive Verteuerung. Die hohe Kreuzpreiselastizität das Steuersubstrat vernichtet wird, bevor es überhaupt zu Steuereinnahmen kommt. Es ist unverständlich, weshalb wertvolle Erfahrungen aus anderen Ländern ignoriert werden und Deutschland einen Alleingang bei der Besteuerung anstrebt, während auf EU-Ebene zeitgleich Gespräche für eine harmonisierte Besteuerung stattfinden“, gibt Dobrajc zu bedenken.
Während Fraktionsmitglieder der CDU sich vereinzelt kritisch zu den Plänen äußern, begrüßt die SPD die Pläne ausdrücklich und hält „eine noch deutlichere Erhöhung für vernünftig“ (Lothar Binding). Verlierer sind unter anderem die aktuellen Raucher, die angesichts der massiven Verteuerung den Umstieg nicht mehr wagen werden. Vor einem zwangsweise entstehenden Schwarzmarkt warnt zudem die Gewerkschaft der Polizei in ihrer eigenen Stellungnahme und bezeichnet die Steuerpläne als „Startup für Schmuggler“.
Quelle: DTZ; vi
04.03.2021
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